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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 30.04.2003
Aktenzeichen: 3 Ss 95/02
Rechtsgebiete: StPO, BRAO


Vorschriften:

StPO § 140 Abs. 2
StPO § 141
StPO § 142 Abs. 1
StPO § 143
StPO § 345
StPO § 346 Abs. 2
BRAO § 48 Abs. 2
BRAO § 49
Die definitive, wiederholte Weigerung des von dem Angeklagten gewählten und diesem beigeordneten Verteidigers, der in die umfangreiche Strafsache bereits eingearbeitet ist und dessen fachliche Kompetenz auf dem Gebiet des Strafrechts und Strafprozessrechts außer Frage steht, den Angeklagten nach Erlass des von diesem - nicht augenscheinlich aussichtslos - angefochtenen Urteils weiter zu verteidigen, stellt einen groben Verstoß gegen die durch seine Beiordnung begründete öffentlich-rechtliche Pflicht, bei der ordnungsgemäßen Durchführung des Strafverfahrens durch sachdienliche Verteidigung des Angeklagten mitzuwirken, mit der Folge dar, dass seine Entpflichtung nicht nur gerechtfertigt, sondern geboten ist.

Von einer Verwerfung der Revision nach § 346 Abs. 1 StPO ist abzusehen, wenn nach der gebotenen Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers die Gewährung von Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur - ggf. nachgeholten - Begründung der Revision in Betracht kommt.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 3. Strafsenat

3 Ss 95/02 3 Ss 96/02

wegen Verdachts d. Freiheitsberaubung u.a.

Beschluss vom 30. April 2003

Tenor:

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Stellung der Revisionsanträge und zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts B. vom 20. September 2001 bleibt derzeit unentschieden.

2. Der Angeklagte wird auf seinen Antrag in die versäumte Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts B. vom 27. Februar 2002, den Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts B. vom 27. März 2002 wiedereingesetzt.

3. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts B. vom 27. Februar 2002, mit dem der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 20. September 2001 als unzulässig verworfen worden ist, aufgehoben.

4. Auf den Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird der Beschluss des Landgerichts B. vom 27. März 2002, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts B. vom 20. September 2001 als unzulässig verworfen worden ist, aufgehoben.

5. Die Sache wird zur weiteren Veranlassung an das Landgericht B. zurückgegeben, insbesondere zur Zurücknahme der Bestellung des dem Angeklagten als Verteidiger beigeordneten Rechtsanwalts L. und zur Beiordnung eines neuen Verteidigers.

6. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 3. und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts B. vom 06.08.1999 wurde der Angeklagte unter Freispruch im Übrigen wegen tateinheitlichen Vergehens der falschen Verdächtigung, der Beleidigung und der Verleumdung zu der Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je DM 200 und wegen einer Ordnungswidrigkeit der vorsätzlichen Verweigerung der Angabe seiner Personalien zu der Geldbuße von DM 200 verurteilt.

Durch weiteres Urteil des Amtsgerichts B. von 24.11.1999 wurde der Angeklagte wegen Freiheitsberaubung zu der Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Beide Urteile fochten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit der Berufung an.

Das mit der Sache befasste Landgericht - Strafkammer II - B. verband beide Verfahren mit Beschluss vom 28.10.2000 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Mit Urteil vom 20.09.2001 verwarf das Landgericht - Strafkammer II - B. die Berufungen des - flüchtigen, im beim Amtsgericht B. anhängigen Strafverfahren 5 Cs 638a/97 - 5 Cs 628/97- 5 Ds 201 Js 6469/00 mit Haftbefehl jenes Gerichts vom 29.06.2001 in der Gestalt des Beschlusses des Landgerichts Baden-Baden vom 04.09.2001 (1 Qs 127/01) gesuchten und zur Festnahme ausgeschriebenen Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO mit der klarstellenden Feststellung, dass der Angeklagte durch das Urteil des Amtsgerichts B. vom 06.08.1999 allein wegen tateinheitlich begangener falscher Verdächtigung, Beleidigung und Verleumdung zu der Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je DM 200 verurteilt ist. Das Verfahren über die Berufungen der Staatsanwaltschaft setzte die Strafkammer aus.

Das Urteil der Strafkammer vom 20.09.2001 wurde aufgrund richterlicher Anordnung dem Pflichtverteidiger Rechtsanwalt K. am 05.12.2001 und dem von dem Angeklagten gewählten Verteidiger Rechtsanwalt L. am 06.12.2001 zugestellt. Rechtsanwalt K. war dem Angeklagten auf die Entscheidung des Senats vom 28.06.2001 hin mit Verfügung des Vorsitzenden der erkennenden Strafkammer - VRLG B. - vom 31.07.2001 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden.

Bereits mit Schriftsatz des Verteidigers Rechtsanwalt K. vom 24.09.2001, beim Landgericht eingekommen am 27.09.2001, beantragte der Angeklagte - ohne nähere Begründung -, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren. Zugleich legte der Angeklagte gegen das Urteil - für den Fall der Verwerfung seines Wiedereinsetzungsgesuchs - Revision ein. Außerdem stellte Rechtsanwalt K. den im Einzelnen begründeten Antrag, ihn von der Pflichtverteidigung zu entbinden.

Mit Schreiben vom 12.12.2001, eingegangen beim Landgericht am selben Tage (am Vortag des Fristablaufs für die Stellung des Gesuchs nach §§ 329 Abs. 3, 44 StPO), beantragte der Angeklagte, ihm einen anderen Pflichtverteidiger beizuordnen und schlug insoweit Rechtsanwalt Prof. Dr. W. in K. oder Rechtsanwalt U. in M. vor. Einen Versuch, einen dieser beiden renommierten Rechtsanwälte für seine Verteidigung zu gewinnen und zumindest ihre Bereitschaft zur Übernahme des Mandats gegenüber der Strafkammer anzuzeigen, hatte der Angeklagte, der in vorliegender Sache neben Rechtsanwalt L. bereits die Rechtsanwälte H. und Kn. in M., Dr. R. und Koll. in B., K. in B.und in der Folgezeit Rechtsanwalt G. und Kl. in H. (Vollmacht beschränkt auf Akteneinsicht) bemüht hatte, selbst ersichtlich nicht unternommen. Mit Verfügung vom 18.12.2001 entband der Kammervorsitzende Rechtsanwalt K. von der Pflichtverteidigung; die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben dem Wahlverteidiger Rechtsanwalt L. wurde abgelehnt. Mit Schriftsatz vom 20.12.2001 teilte Rechtsanwalt L. mit, dass er für die Fertigung einer Revisionsbegründung als Wahlverteidiger nicht zur Verfügung stehe, und legte für den Angeklagten gegen die ablehnende Verfügung vom 18.12.2001 Beschwerde mit der Begründung ein, dass im vorliegenden Fall einer notwendigen Verteidigung für die Fertigung einer sachgerechten Revisionsbegründung die Stellung eines Pflichtverteidigers erforderlich sei, der über die entsprechenden rechtlichen Kenntnisse verfüge. Mit Schriftsatz vom 04.01.2002 widersprach Rechtsanwalt L. der in der Nichtabhilfeentscheidung des Kammervorsitzenden vom 27.12.2001 geäußerten Überzeugung, dass die Mitteilung, zur Begründung der Revision nicht zur Verfügung zu stehen, nicht nur mit Kenntnis und Billigung des Angeklagten erfolgt sei, sondern auf dessen Weisung beruhe; bzgl. seiner wirklichen Gründe berief sich Rechtsanwalt L. auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht; zugleich erklärte er seine Wahlverteidigertätigkeit als beendet.

Mit Verfügung vom 04.01.2002 ordnete der Kammervorsitzende dem Angeklagten Rechtsanwalt L. als Pflichtverteidiger bei. Mit Schriftsatz vom 07.01.2002 erklärte Rechtsanwalt L., "dass er das ihm angetragene Pflichtverteidigermandat nicht annimmt". Seine mit Schriftsatz vom 11.01.2002 erhobene Beschwerde begründete er u. a. wie folgt:

"Der Unterzeichner ist in weit überwiegendem Maße ausschließlich zivilrechtlich, insbesondere familienrechtlich, tätig. Er ist mit dem Strafrecht und dem Strafverfahrensrecht nur insoweit befasst, als es sich um Tatsacheninstanzen handelt. Mit dem strafrechtlichen Revisionsrecht ist der Unterzeichner überhaupt nicht vertraut. Unter den gegebenen Umständen wäre es für den Unterzeichner unverantwortlich gewesen, gewissermaßen "ins Blaue hinein" eine Revisionsbegründung zu fertigen."

Mit Beschluss vom 08.02.2002 (3 Ws 28/02) verwarf der Senat die Beschwerde des Rechtsanwalts L. als unbegründet und stellte hierzu insbesondere fest:

"Zu Recht hat das Landgericht bei der Auswahl des Pflichtverteidigers bedacht, dass Rechtsanwalt L. in die umfangreiche Strafsache bereits eingearbeitet ist und seine fachliche Kompetenz auf dem Gebiet des Strafprozessrechts und des Strafrechts, wie gerade die zu Gunsten des Angeklagten in diesem und in anderen Verfahren vielfach abgegebenen Stellungnahmen und Rechtsmittel zeigen, außer Frage steht. Es liegt auch kein Fall vor, in dem es auf Grund mangelnden Vertrauens zu einem Rechtsanwalt geboten sein könnte, von einer Bestellung abzusehen und einen anderen Verteidiger nach Wahl des Angeklagten zu bestellen (vgl. BVerfG NJW 2001, 3695 ff.; BGH NJW 2001, 237 f.), denn bei Rechtsanwalt L. handelt es sich gerade um denjenigen Anwalt, der das uneingeschränkte Vertrauen des Angeklagten besitzt."

Hiergegen wandte sich der Angeklagte mit am 22.02.2002 beim Oberlandesgericht eingekommenem Schreiben vom 21.02.2002 mit der Behauptung, dass "nach Mitteilung des mich vertretenden Rechtsanwaltes" insbesondere dieser Senatsbeschluss auf unerlaubten Handlungen beruhe.

Mit Schriftsatz vom 26.02.2002 legte Rechtsanwalt L. "sein Mandat als Pflichtverteidiger nieder" und erklärte unter Wiederholung seines Standpunktes, "dass er in dieser Sache jedwede Pflichtverteidigertätigkeit endgültig ablehnt".

Mit Beschluss vom 27.02.2002 verwarf das Landgericht den nicht näher begründeten Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 20.09.2001 als unzulässig. Die Entscheidung wurde aufgrund richterlicher Anordnung dem Verteidiger Rechtsanwalt L. am 05.03.2002 gegen Empfangsbekenntnis und dem Angeklagten selbst öffentlich zugestellt, da der Angeklagte flüchtig und eine Zustellung oder Ersatzzustellung unter der zuletzt von ihm angegebenen Anschrift in B., L.- Straße 3 daher nicht möglich war.

Mit Beschluss vom 22.03.2002 lehnte es das Landgericht auf den Schriftsatz des Rechtsanwalts L. vom 26.02.2002 hin erneut ab, dessen Pflichtverteidigerstellung aufzuheben.

Mit Beschluss vom 27.03.2002 verwarf das Landgericht nach § 346 Abs. 1 StPO die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der Kammer vom 20.09.2001 als unzulässig, da Revisionsanträge bis zum Ablauf der nach §§ 345, 42, 43 StPO sich bestimmenden Frist weder zu Protokoll des Rechtspflegers noch in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift angebracht worden sind. Auch diese Entscheidung wurde aufgrund richterlicher Anordnungen dem Verteidiger Rechtsanwalt L. am 02.04.2002 gegen Empfangsbekenntnis und dem Angeklagten selbst öffentlich zugestellt. Mit Schriftsatz vom 04.04.2002 reichte Rechtsanwalt L. dem Landgericht die Beschlussausfertigung mit Hinweis darauf, dass er weder als Wahl- noch als Pflichtverteidiger tätig sei und tätig werde, zurück.

Am 18.04.2002 zeigten die Rechtsanwälte G. und Kl. gegenüber dem Landgericht unter Vorlage einer zur Akteneinsicht ermächtigenden Vollmacht vom 05.04.2002 die anwaltliche Vertretung des Angeklagten an. Sie erhielten von dort antragsgemäß Einsicht in die Hauptakten und der Angeklagte selbst - seiner Behauptung zufolge - durch deren Vermittlung am 30.04.2002.

Mit am 10.05.2002 beim Landgericht B. eingekommenem Schreiben vom 08.05.2002 beantragte der Angeklagte daraufhin,

ihm zur Begründung und Glaubhaftmachung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 24.09.2001 gegen das Urteil des Landgerichts B. vom 20.09.2001, der Fertigung einer Revisionsbegründung sowie zur Einlegung und Begründung von Beschwerden gegen die Ablehnung gestellter Befangenheitsanträge einen fachkundigen Pflichtverteidiger gemäß Schreiben vom 12.12.2001 beizuordnen,

vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren hinsichtlich der unverschuldet versäumten Rechtsmittel gegen die Beschlüsse des Landgerichts vom 27.02.2002 (Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrags), 22. 03. 2002 (Ablehnung des Vorsitzenden Richters B.), 27.03.2002 (Verwerfung der Revision) sowie der unverschuldet versäumten Revisionsbegründungsfrist.

Mit am 29.05.2002 beim Landgericht eingekommenem Schreiben vom 27.05.2002 erteilte der Angeklagte dem Rechtsanwalt L. Zustellungsvollmacht.

Am 03.07.2002 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft K. mit Schrift vom 28.06.2002 - unter Vorlage der Akten an den Senat -, die Anträge des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig, insbesondere weil verfristet, zu verwerfen.

Mit am 22.08.2002 beim Oberlandesgericht eingekommenem Schreiben vom 18.08.2002 beantragte der Angeklagte, ihm unter Erteilung freien Geleits Akteneinsicht zu gewähren. Einem beigefügten Schriftsatz des Rechtsanwalts L. vom 13.08.2002 ist zu entnehmen, dass der Angeklagte diesem den Beschluss des Landgerichts B. vom 05.08.2002, mit dem das Ablehnungsgesuch des Angeklagten vom 18.05.2002 gegen VRLG B. als unzulässig verworfen worden war, zur Überprüfung auf dessen Richtigkeit zugeleitet hatte und Rechtsanwalt L. diesem Auftrag in Form einer Stellungnahme nachkam.

Mit Verfügung vom 18.09.2002 gewährte der Senat den zur Akteneinsicht bevollmächtigten Rechtsanwälten G. und Kl. Einsicht in Band IV der Hauptakten. Nach Einsichtnahme in die Akte zeigte Rechtsanwalt G. mit am 09.10.2002 hier eingegangenem Schriftsatz die Beendigung des Mandats an.

Mit beim Landgericht B. eingekommenem Schriftsatz vom 23.10.2002 bat Rechtsanwalt L., ihn formell von der Pflichtverteidigung zu entbinden. Den Antrag lehnte der stellvertretende Kammervorsitzende mit Verfügung vom 08.11.2002 ab.

Der Senat hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 20.03.2003 dem Angeklagten in den beim Senat anhängigen Beschwerdeverfahren insbesondere betr. Ablehnungsgesuche des Angeklagten (Parallelverfahren 3 Ws 156/02, 3 Ws 213/02, 3 Ws 274/02) Rechtsanwalt M. R. in K. (Kanzlei Rechtsanwalt Prof. Dr. W.) als Verteidiger beigeordnet. Wegen der Einzelheitern der insoweit gestellten Anträge der Verteidigung, insbesondere auf Beiordnung eines Verteidigers für das Verfahren nach §§ 329 Abs. 3, 44 StPO und für das Revisionsverfahren wird auf die Schriftsätze vom 28.03.2003 und vom 15.04.2003 Bezug genommen. Die Generalstaatsanwaltschaft hält mit Schrift vom 09.04.2003 insbesondere an ihren mit Schrift vom 28.06.2002 gestellten Verwerfungsanträgen fest.

II.

Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Stellung der Revisionsanträge und zur Begründung der form- und fristgerecht eingelegten Revision gegen das Urteil des Landgerichts B. vom 20.09.2001 ist - wie die Verteidigung zutreffend ausführt - derzeit nicht entscheidungsreif, zumal die versäumte Handlung bislang nicht nachgeholt worden ist (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Der Senat gewährt dem Angeklagten indes in dem aus Nr. 2 der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Auf die mithin zulässige sofortige Beschwerde des Angeklagten hebt der Senat den Beschluss des Landgerichts B. vom 27.02.2002, durch den der mit Schriftsatz des ihm damals noch beigeordneten Rechtsanwalts K. vom 24.09.2001 angebrachte, nicht näher begründete Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 20.09.2001 als unzulässig verworfen worden ist, auf. Die Versäumung der am 06.12.2001 in Lauf gesetzten und mit dem 13.12.2001 endenden Frist zur Anbringung eines den Erfordernissen der §§ 44, 45 StPO genügenden Gesuches um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung (§§ 329 Abs. 3, 44 StPO) lastet der Senat dem Angeklagten im Ergebnis - trotz verbleibender Zweifel - nicht als durch sein (Mit-) Verschulden bedingt an. Die Untätigkeit des damaligen Pflichtverteidigers Rechtsanwalt K. und die seines damaligen Wahlverteidigers und am 04.01.2002 beigeordneten Rechtsanwalts L. rechnet der Senat dem Angeklagten nicht zu (vgl. nur Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 44 Rdnr. 18), zumal es sich vorliegend, wie der Senat bereits mit Beschlüssen vom 28.06.2001 - 3 Ws 96/01 - und vom 08.02.2002 - 3 Ws 28/02 - festgestellt hat, um den Fall einer notwendigen Verteidigung handelt. Ein kollusives Zusammenwirken des Angeklagten mit Rechtsanwalt L. zwecks Verzögerung oder gar Verschleppung des Verfahrens erscheint zwar in Anbetracht des geschilderten Verfahrensablaufs, der - bei Beachtung seiner Vertrauensstellung, die er bei dem Angeklagten innehat, und seiner fachlichen Kompetenz - nicht ohne weiteres nachvollziehbaren Weigerung des Rechtsanwalts L., den Angeklagten nach Erlass des angefochtenen Urteils auch in der Folgezeit - entgegen der durch seine Beiordnung begründeten öffentlich-rechtlichen Pflicht, bei der ordnungsgemäßen Durchführung des Strafverfahrens durch sachdienliche Verteidigung des Angeklagten mitzuwirken (Meyer-Goßner a.a.O. § 142 Rdnr. 14 m.w.N.) - weiter zu verteidigen, nicht fernliegend, ist aber nicht mit einer zur Verwerfung der Anträge des Angeklagten hinreichenden Sicherheit nachweisbar, wenn auch die von Rechtsanwalt L. angeführten Gründe, ihn zu entpflichten, nicht zu überzeugen vermögen (vgl. hierzu Senat B. v. 08.02.2002 - 3 Ws 28/02 -), zumal er sich letztlich auf seine anwaltliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit beruft. Auch hat sich der Angeklagte noch während des Laufes der hier maßgeblichen Fristen um die Beiordnung eines neuen (Pflicht-) Verteidigers bemüht; er kann mithin nicht mit Erfolg darauf verwiesen werden, er hätte sein Wiedereinsetzungsgesuch selbst zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts B. anbringen können (BGH StV 1983, 225; BGH bei Spiegel DAR 1986, 202; vgl. aber auch OLG Düsseldorf StV 1984, 327). Dass sich der Angeklagte dem genannten Verfahren des Amtsgerichts B. durch die Flucht bzw. Untertauchen entzog bzw. entzieht, gereicht ihm hier daher insoweit in diesem Zusammenhang nicht zum Verschuldensvorwurf. Dem Angeklagten wird daher nach der - wie noch auszuführen ist - nun gebotenen Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers und Nachholung der versäumten Handlung schon von Amts wegen (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für das von diesem ggf. angebrachte Gesuch nach §§ 329 Abs. 3, 44, 45 StPO zu gewähren sein. Wenn aber, wie hier, die Gewährung von Wiedereinsetzung für einen Antrag nach §§ 329 Abs. 3, 44, 45 StPO in Betracht kam bzw. kommt, war unter den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls für eine Verwerfung des Antrages vom 24.09.2001, wie mit Beschluss der Strafkammer vom 27.02.2002 geschehen, kein Raum.

Auf den - nach der vom Senat gewährten Wiedereinsetzung ebenfalls zulässigen - Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 StPO) ist der auf § 346 Abs. 1 StPO gestützte Verwerfungsbeschluss des Landgerichts B. vom 27.03.2002 aufzuheben. Auch hier gilt, dass von einer Verwerfung der Revision nach § 346 Abs. 1 StPO abzusehen ist, wenn - wie vorliegend - nach der gebotenen Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers die Gewährung von Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur - ggf. nachgeholten - Begründung der Revision in Betracht kommt (vgl. BayObLG NStZ 1995, 300; dass. DAR 2002, 462; Meyer-Goßner a.a.O. § 346 Rdnr. 4).

Die Bestellung des Rechtsanwalts L. wird durch den Vorsitzenden der mit der Sache zuletzt als Tatgericht befassten Kammer des Landgerichts B. aufzuheben sein. Die definitive, zuletzt mit Schriftsatz vom 23.10.2002 wiederholte Weigerung des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt L., den Angeklagten weiter zu verteidigen, stellt eine gravierende Pflichtverletzung (§ 49 BRAO) dar, die seine Entpflichtung rechtfertigt (OLG Hamm MDR 1976, 73; OLG Frankfurt NStZ-RR 1997, 77; KG B. v. 28.09.2001 - 4 Ws 153/01 - bei juris Rechtsprechung; OLG Stuttgart Die Justiz 2002, 249 = StraFo 2002, 356). Durch sein Verhalten hat Rechtsanwalt L. den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Angeklagten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, nicht nur ernsthaft gefährdet, sondern vereitelt (vgl. hierzu auch BVerfG NJW 1998, 444).

Dem Angeklagten wird, da die Verteidigung notwendig ist und ihm bis zur Rechtskraft des Urteils ein Verteidiger bestellt sein muss, von dem Vorsitzenden der mit der Sache befassten Strafkammer ein anderer Verteidiger beizuordnen sein (Meyer-Goßner a.a.O. § 141 Rdnr. 6). Dabei liegt es nahe, den bereits vom Senat für die hier anhängigen Beschwerdeverfahren beigeordneten Rechtsanwalt M. R. in Karlsruhe zu bestellen. Der Senat sieht keinen Anlass, diese Entscheidung selbst zu treffen; ein Ausnahmefall, wie er etwa der Entscheidung des Senats (NJW 1978, 1064) oder der des BGH (NStZ 1997, 48) zugrunde liegt, ist vorliegend nicht gegeben.

Nach alledem bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob - wie die Verteidigung meint - die auch an den Senat gerichtete Beschwerdeschrift des Angeklagten vom 08.05.2002 zugleich eine "Untätigkeitsbeschwerde", die als solche der StPO schon grundsätzlich fremd ist (vgl. Senat B. v. 01.04.1987 - 3 Ws 50/87 -; BGH NJW 1993, 1279; OLG Düsseldorf 1999, 2830; OLG Frankfurt/a.M. NJW 2002, 453 ff.), beinhaltet und zwar gegen das Unterlassen des Vorsitzenden der Strafkammer, den beigeordneten Verteidiger Rechtsanwalt L. zu entpflichten bzw. dem Angeklagten einen anderen Verteidiger zu bestellen, zumal der Senat insoweit bereits eine Beschwerdeentscheidung getroffen hatte (B. v. 08.02.2002 - 3 Ws 28/02 -).

Ende der Entscheidung

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